Verwurzelt

Gemälde von Anette Behr, Marlene Rother, Monika Fehlinger
Burghotel  Ad Sion,  Rheinbreitbach,   11. September bis 4.Dezember 2011

 

“ …Dem KKF – Verband mit seiner Präsidentin Felicitas Felinger ist auf seine Art eine gelungene Mischung  aus rheinisch-katholischer Tradition und konkretem politischem Engagement von und mit Frauen, die in Wirtschaft, Verwaltung, öffentlichen Diensten und freien Berufen tätig sind und sich der tagtäglichen Herausforderung stellen, Familie, Beruf und gesellschaftliches Leben besser in Einklang bringen zu können.
Da erscheint es fast schon wie selbstverständlich, dass im Haus des KKF eine Ausstellung  zustande gekommen ist, die Traditionelles – “ verwurzelt “ – mit weiblicher Kreativität und Entwicklung – “ Frauen in der Kunst “ – verbindet; die Frauen, die schon lange als Hobbymalerinnen unterwegs sind, Gelegenheit gibt, sich und ihre Arbeiten einer
interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren…“

Frau Dr. Ursula Sottong | aus der Einführungsrede zur Eröffnung der Ausstellung am 11.September 2011

Einführung in die Ausstellung von Frau Dr. Ursula Sottong

Verwurzelt

Gemälde   von    Marlene   Rother,   Anette    Behr,   Monika Fehlinger
Burghotel  AdSion,  Rheinbreitbach,   11. September  2011

Sehr geehrte Frau Fehlinger, sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Künstlerinnen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der bildenden Kunst,

es ist für mich eine große Freude und Ehre, heute, zur Eröffnung der Ausstellung „verwurzelt“, Gelegenheit zu erhalten, Sie mit einigen Gedanken auf die Ausstellung und die beteiligten Künstlerinnen einzustimmen.
Es gibt sie wirklich, Malerinnen, Frauen in der bildenden Kunst, auch hier in Rheinbreitbach. Dass das nicht immer selbstverständlich war, lässt sich daran ablesen, dass noch um die Wende des 19.1 20. Jahrhunderts in Deutschland eine Künstlerexistenz als weiblicher Lebensentwurf fast undenkbar war. Frauen wurde lange künstlerische Begabung abgesprochen und ihre künstlerische Betätigung behi1dert, wenn nicht sogar verhindert. Ihr Betätigungsfeld lag mehr im Bereich des Modells, auch des Aktmodells bzw. der Muse.
Bis in die Renaissance hinein bewegte sich die bildende Kunst des Abendlandes darstellerisch im sakralen Bereich. Das ideale Frauenbild wurde durch die Darstellung der Madonna verkörpert. Erst nach und nach, mit Einsetzen der Renaissance, entstanden Portraits von wichtigen Personen der Gesellschaft, entwickelte sich eine profane, säkulare Kunst, die sich immer breiter entfaltete. Die Renaissance ist übrigens auch die Epoche in der europäischen Kunstgeschichtsschreibung, in der eine Reihe von Künstlerinnen erstmals europaweit Reputation erlangte. Beides hat sich letztlich bis in unsere Tage erhalten. Ich erinnere nur an die langjährige Muse des Kölner Aktionskünstler A H Schult, an Else Koska, die entscheidend seinen künstlerischen Werdegang geprägt hat. Ich erinnere auch an die Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz, die 1919 als erste Frau Mitglied der Preußischen Akademie der Künste
wurde, und an die 1954 verstorbene Frida Kahlo, die bekannteste Malerin Mexikos, deren Leben von Hollywood verfilmt wurde. Sie behauptete unter ungünstigen Bedingungen an der Seite Diego Riveras ihre künstlerische Selbständigkeit.
Obwohl in vielen Gesellschaften heute Einigkeit darüber besteht, dass Frauen und Männer künstlerisch über gleiche Fähigkeiten verfügen, stehen der künstlerischen Berufsausübung von Frauen oft einschränkende kulturelle Vorstellungen, familiäre Zwänge, gesellschaftliche Konventionen und ökonomische Interessen entgegen. Das mit Erfahrungen aus dem eigenen Lebensumfeld zu füllen sei jedem selbst überlassen.
Bis in das 19. Jahrhundert waren Frauen von der akademischen Ausbildung, so auch der künstlerischen, allgemein ausgeschlossen. Sie konnten eine künstlerische Ausbildung nur im Kloster, in Adelsfamilien oder in der väterlichen Werkstatt durchlaufen oder privat Unterricht nehmen. Das betraf dann meistens den Bereich der Luxusgüter, also
das Kunsthandwerk, die Glasschnitzerei, die Stickerei sowie die Buchillustration und die Stillleben-Malerei. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war es übrigens Frauen meist auch nicht erlaubt, vor dem unbekleideten (männlichen oder weiblichen) Aktmodell zu zeichnen; umgekehrt war kein Problem. Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert standen die Künstlerinnen ganz allgemein in einem Spannungsverhältnis zur bürgerlichen Gesellschaft und im Besonderen zu ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Rolle als Ehefrau und Mutter. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden erstmals Kunstakademien für Frauen geöffnet, nicht ohne vorausgehende hitzige Diskussionen über die kreative Eignung von
Frauen. Und Frauen gewannen als Galeristinnen Profil. Eine der bekanntesten unter ihnen ist die 1979 verstorbene Peggy Guggenheim.
Hier hat sicher die Frauenrechtsbewegung (Mitte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts) mit ihren Suffragetten ihre besonderen Verdienste. Ihre wichtigsten Forderungen waren:
• Recht auf Erwerbsarbeit,
• Recht auf Bildung (Frauenstudium),
• Recht auf aktives und passives politisches Handeln (Frauenwahlrecht),
• und eine Gesellschaft auf neuer sittlicher Grundlage.

Wer sich auf die Website der KKF, die heute in ihrem Haus diese Ausstellung ausrichtet, begibt, wird sich des Eindrucks nicht ganz verwehren können, dass die Nachkommen der ersten Suffragetten sich bis heute in Rheinbreitbach gehalten haben. Auf der Startseite findet sich folgendes Zitat:
„Der Weg zur Quelle führt gegen den Strom. “
Die KKF mit ihrer Präsidentin Felicitas Fehlinger ist auf ihre Art eine gelungene Mischung aus rheinisch-katholischer Tradition und konkretem politischem Engagement von und mit Frauen, die in Wirtschaft, Verwaltung, öffentlichen Diensten und freien Berufen tätig sind und sich der tagtäglichen Herausforderung stellen, Familie, Beruf und gesellschaftliches Leben besser in Einklang bringen zu können. Da erscheint es fast schon wie selbstverständlich, dass im Haus der KKF eine Ausstellung zustande gekommen ist, die Traditionelles -„verwurzelt“ – mit weiblicher Kreativität und Entwicklung – „Frauen in der Kunst“ – verbindet; die Frauen, die schon lange als Hobbymalerinnen unterwegs sind, Gelegenheit gibt, sich und ihre Arbeiten einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren.

“ Verwurzelt“.
Wer sich mit der Biographie der hier ausstellenden Künstlerinnen befasst, wird schnell feststellen, dass sie und ihre Familien als Rheinbreitbacher echte Tiefwurzler sind, um es botanisch auszudrücken. Wobei eine der drei Frauen einen kleinen Migrationsspritzer in ihrem Stammbaum zu verzeichnen hat. Sie hat sozusagen Migrationshintergrund wie es heute heißt. Bei einem kurzen „Gastspiel“ ihre Familie in Köln hat sie dort das Licht der Welt erblickt und sich
Kölsch inspirieren lassen. Alle drei Künstlerinnen bewegen sich altersmäßig mehr oder weniger in der Mitte ihres Lebens und blicken auf einen reichen, wenn auch unterschiedlichen Erfahrungsschatz zurück. Nicht die einzige, aber eine ihrer großen Leidenschaften ist die bildende Kunst. Alle drei haben schon früh angefangen zu malen, sind allesamt Autodidaktinnen und haben ihren je eigenen Stil entwickelt. Sie benutzen Acryl-, Ö-I, Kreide- und auch Aquarelltechnik, je nachdem, was dem Leben und inneren Ausdruck ihrer Bilder besser entspricht. Damit zeigen sie gleichzeitig auch die weibliche Seite ihrer Kunst. Nicht prinzipiell, sondern pragmatisch ist ihre Arbeit, aus der Situation, dem Empfinden heraus, lebensphasenbezogen. Sie wollen weniger dem Betrachter etwas sagen, sondern ihr Inneres zum Ausdruck bringen, zeigen, wie sich ihnen die Welt darstellt.
Wer in den letzten Tagen die Berichterstattung zum 10. Jahrestag des 11. September verfolgt hat, wird vielleicht bemerkt haben, dass es eine große öffentliche Debatte in den USA darüber gibt, mit welchem Denkmal dieser furchtbaren Katastrophe gedacht werden kann; wie man bildlich dem Ausdruck verleihen kann, was in Worte nicht zu fassen ist. Wie künstlerisch der Menschen und ihrer Schicksale gedacht werden kann. Das ist eine wesentliche Aufgabe und auch Chance von bildender Kunst. Sie ist in ihren verschiedenen Ausdrucksformen zwar kulturell und durch den Zeitgeist geprägt, aber gleichzeitig auch international und ohne Worte und Wörterbücher zu verstehen. Sie spricht die Sprache der Seele, des Herzens; sie baut auf Emotionen.
Die drei Künstlerinnen des heutigen Tages erzählen mit ihren Bildern Geschichten, die aus ihrem Erleben, ihrem Herzen, ihren Tagen kommen. Geschichten, die viel auch über sie selbst erahnen lassen. Sie lassen teilhaben an ihrem Innenleben ohne dem Betrachter ein Wörterbuch an die Hand zu geben.
Lassen Sie sich einladen, die Charaktere und ihre Geschichten zu erspüren. Finden Sie die Fragile, Enthusiastische, In-sich-gekehrte und gleichzeitig Lebensfrohe, Jecke unter den Dreien. Suchen Sie nach der Liebevoll-bestimmenden, Neugierigen, Hilfsbereiten, Leidenschaftlichen und Konventionen-überschreitenden. Und finden Sie die Gesellige,
Kaum-Probleme-wälzende, Karnevalsjecke, Von-Natur-inspirierte mit Bodenhaftung. Drei in Rheinbreitbach verwurzelte und doch grenzüberschreitende Frauen.
Rheinbreitbach kann sich glücklich schätzen mit solchen Frauen wie den heute ausstellenden Künstlerinnen, den Aktiven der KKF und den die Ausstellung begleitenden Frauen, vor allem Franca Persehen, gesegnet zu sein.
Allen heute hier Anwesenden wünsche ich eine inspirierende und spannende Spurensuche.
Entdecken Sie Ihre Künstlerinnen.